Knock at the Cabin | Kritik (2024)

In einer Hütte im Nirgendwo bekommt ein schwules Paar Besuch von den vier apokalyptischen Reitern. Mit heiligem Ernst widmet sich Knock at the Cabin dem biblischen Weltuntergang und zeigt M. Night Shyamalan auf dem Gipfel des Wahnwitzes.

Es beginnt mit einem Grashüpfer. Ein kleines Mädchen (Kristen Cui als Wen) fängt ihn, sperrt ihn zu Artgefährten in ein Glas und erklärt dem Neuling, er sei nun Teil eines Experiments. Worauf sie in ihrem Feldbuch seinen Namen und seine Eigenschaften einträgt. Während des Films erinnern uns gelegentliche Bilder von Grashüpfern daran, dass die Insekten im Glas als Symbol für die Geschichte verstanden werden können. Für sieben Leute, die von Gott in eine extreme Situation gesteckt werden, auf dass er mit ihnen experimentieren kann. Falls es denn so ist. Schließlich handelt es sich um einen Film von M. Night Shyamalan, dem Regisseur mit den Twists. Mehr noch könnten die Grashüpfer aber als Bild dafür dienen, was mit uns als Zuschauern geschieht. Knock at the Cabin fühlt sich wie eine Art Lackmustest an, bei dem es schwer ist, neutral zu bleiben.

Hüttenidylle wie aus dem Katalog

Nicht dass M. Night Shyamalan in seiner Laufbahn nicht schon genug polarisiert hätte. Vom erfolgsverwöhnten Publiku*msliebling bis hin zur Lachnummer, deren Karriere im Grunde am Ende war: Zwischen den Extremen war er bereits überall. Er wurde als neuer Spielberg gefeiert und als One Trick Pony abgeschrieben. Manche sehen in ihm einen fürchterlichen Aufschneider, manche verlieren sich gerne in seinen verwickelten Strukturen, manche lieben ihn für seinen hochemotionalen Stil und die sehr persönliche Eigenwilligkeit seiner Filme. Knock at the Cabin wird diese Zuschreibungen wieder alle befeuern. Mehr noch, dieser auf Shyamalan-Weise sachliche und kontrollierte Film zeigt seinen Schöpfer auf dem Höhepunkt seines Wahnwitzes.

Bei dreien der Grashüpfer handelt es sich um das schwule Paar Andrew (Ben Aldridge) und Eric (Jonathan Groff) samt Adoptivtochter Wen, die in einer Hütte mitten im Nirgendwo ihren Urlaub verbringen: Abziehbildchen einer liebevollen Bürgerlichkeit, die gemeinsam Boogie Shoes von KC and the Sunshine Band schmettern, angezogen in den Waldsee springen, die zusammen lachen, zusammenhalten, die einander ganz und gar, und ganz und gar sauber, lieben. Ihre Hütte wie ihr Leben könnten aus einem Katalog stammen. Doch die Idylle aus Wald und See wird schnell an den Rand gedrängt, ist bald nur noch aus den Fenstern der Hütte zu sehen, als Sehnsuchtsort der Einfachheit, der Sicherheit, der für die drei unerreichbar wird.

Bis zum Schluss alles möglich

Denn bald tauchen die anderen vier Heuschrecken auf, der Grundschullehrer Leonard (Dave Bautista), die Krankenschwester Sabrina (Nikki Amuka-Bird), die Köchin Adriane (Abby Quinn) und Ex-Häftling Redmond (Rupert Grint). Nicht weniger sind sie als die (selbsternannten) Reiter der Apokalypse. Mit Gewalt dringen sie in die Hütte ein, fesseln Andrew und Eric und teilen ihnen mit, dass der Weltuntergang bevorsteht. Der sei nur abzuwenden, wenn die drei sich entscheiden, wer von ihnen geopfert werden muss – wobei sie die Tat auch noch selbst vollbringen müssen. Weigern sie sich, dann bringen die vier nach und nach einander um, und mit jedem Tod werde eine Plage entfesselt, die den Untergang der Menschheit nach und nach besiegele.

Religiöser Wahn trifft damit auf ein Paar, an dem alles übermäßig normal ist. Wie um uns zu versichern, dass auch diese Bilderbuchmenschen kein perfektes Leben führen, schneiden Rückblenden bittere Erfahrungen von Ausgrenzung und Schikane an, die die beiden für ihr Schwulsein machen mussten. Für sie steht denn auch sofort fest, warum sie Ziel der vier sind. Weil wir uns aber in einem Film von M. Night Shyamalan befinden, ist es nicht so einfach. Stattdessen spannt sich diese Ausgangssituation so weit wie möglich auf. Wir können nicht sicher sein, worauf der Film hinausläuft – bis zum Schluss ist alles möglich: von einer verworrenen rationalen Erklärung bis hin zum Finger Gottes, der durch die Erde pflügt und die Menschen persönlich unter sich begräbt. Ein biblisches Weltuntergangsszenario, ein (ebenfalls biblisches) Gleichnis, ein Drama um internalisierte hom*ophobie und den Kampf um Selbstakzeptanz nehmen den Film parallel ein.

Tattoos bis zu den Fingergliedern

Mit allen Mitteln versucht Shyamalan dabei einen möglichst hohen Grad von Unsicherheit zu erreichen. Bevorzugt packt er seine Schauspieler in frontale Einstellungen mit sehr knapper Tiefenschärfe. Jeder ist eben nur vereinzelter Teil in einer verschwommenen Umwelt. Der geringe Erkenntnishorizont der Handelnden und die Fragwürdigkeit ihres Denkens werden so schon in die Bilder eingeschrieben. Die Hütte ist selbstredend von jeglicher Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten, und nur ein Fernseher gewährt – falls er denn nicht manipuliert ist – Rückversicherungen mit einer fernen Restmenschheit.

Vor allem sind aber die vier apokalyptischen Reiter alles andere als überzeugend. Von Beginn an schaffen sie es nicht, ihr Anliegen zu kommunizieren, ihre Motive werden durch konträre Hinweise des Films mit Zweifeln belegt, und überhaupt ergötzt sich Knock at the Cabin am Widerspruch zwischen Dave Bautistas ruhigen, mitfühlenden Erklärungsversuchen und seinem einschüchterndem Äußeren, inklusive Tattoos, die bis zu den Fingergliedern reichen. Einmal fällt Leonard/Bautista bei einer Auseinandersetzung die Brille ab, die ihm eh schon den Look eines Triebtäters gibt. Aber so schnell wie möglich setzt er sie wieder auf, damit er ja nicht an Glaubwürdigkeit gewinnen könnte.

Eine existenzialistische Erfahrung

Der übergeordnete Sinn von Knock at the Cabin liegt darin, dass wir alleingelassen werden. Es ist eine geradezu existenzialistische Erfahrung. Die Absurdität des Lebens, in dem es schwer ist, seinen Weg zu finden, als Filmerlebnis, in dem wir einer Erzählung von heiligem Ernst beiwohnen, die das Gleichnis von Abraham, der von Gott den Befehl erhält, sein Kind zu töten, nochmal um eine Dimension erweitert. Eine Dimension, die Andrew und Eric in ein Gespräch bringen wird, in dem beide wie die unterschiedlichen Ausprägungen einer Persönlichkeit wirken – in einer schwindelerregenden Montage aus zwei zentrierten Köpfen, die ihr Verhältnis zur Welt ausdiskutieren.

Was anders bleibt einem da übrig, als Shyamalan für sein erzählerisches Können und seinen persönlichen Wahnwitz zu feiern, ihn abzuschreiben, ihn zu verunglimpfen. Nur einen netten Film, der uns zusichert, dass er vielleicht doch nicht plemplem ist, den verwehrt er einem mehr denn je. Uns bleibt nur, im Glas zu sitzen mit dem, was wir in Auseinandersetzung mit diesem Wahn über uns selbst erkennen.

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Author: Eusebia Nader

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